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Kalender Aktualisiert: 16. Oct 2023

Ein Unfall, eine Gewalttat, eine Katastrophe – jeder Mensch kann von jetzt auf gleich eine traumatische Erfahrung machen, die eine tiefe Wunde an der Seele hinterlässt. Dann ist eine therapeutisch begleitete Traumabewältigung oft die einzige Lösung, um zurück in ein unbelastetes Leben zu finden.
 

Was ist Traumabewältigung?

Unter Traumabewältigung versteht man den Prozess, seelische Wunden zu heilen und das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen – meist durch therapeutische Begleitung.

Das altgriechische Wort „Trauma“ heißt übersetzt „Wunde“ oder „Verletzung“. Übertragen bedeutet es eine psychische Ausnahmesituation, in die Du völlig unerwartet und unvorbereitet durch ein gewisses Ereignis versetzt wurdest.

Körperliche Verletzungen heilen nach einer Weile wieder ab. Was jedoch bleibt, sind die seelischen Wunden, die oft ohne Hilfe sogar ein Leben lang bestehen bleiben können. Ein Trauma wird durch schockierende Erlebnisse verursacht, in denen Lebensgefahr, Hilflosigkeit oder Kontrollverlust besteht.

Instinktiv haben Menschen dann Fluchtgedanken oder treten aktiv den Kampf ums Überleben an. Ist beides nicht möglich, bleibt nur das Erstarren in einer ausweglosen Situation, was oft eine akute Belastungsreaktion auslöst.

Im Idealfall setzt hier bereits die Traumabewältigung ein. Denn je schneller die betroffene Person therapeutisch betreut wird, umso leichter fällt in der Regel die Verarbeitung. Die Traumabewältigung – ob sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt – verläuft in drei Phasen:

1. Stabilisierung

2. Traumabearbeitung

3. Integration.

Ziel ist es, dass Betroffene über das Erlebte sprechen und es als eine zusammenhängende Geschichte erzählen können, ohne sich durch aufkommende Emotionen überwältigen zu lassen.

Wodurch wird ein Trauma ausgelöst?

Ein Trauma kann bei jedem Menschen ausgelöst werden. Die meisten Menschen erleben im Lauf ihres Lebens sogar mindestens ein traumatisches Ereignis, in dem sie die Kontrolle verlieren, sich hilflos fühlen oder sogar in Lebensgefahr geraten. Häufige Ursachen für ein Trauma sind:

  • sexualisierte Gewalt
  • physische Gewalt
  • psychische Gewalt
  • Mobbing
  • massiver Vertrauensbruch
  • plötzlicher Todesfall einer engstehenden Person
  • ein schwerer Unfall
  • schwere Erkrankungen
  • Naturkatastrophen
  • Krieg
  • Flucht
  • Beobachten einer Gewalttat an einem nahestehenden Menschen, eines Unfalls oder einer Katastrophe

Ein Trauma entsteht dann, wenn Körper und Geist mit der Situation überfordert sind. Sämtliche Mechanismen zur Bewältigung von Stress reichen nicht mehr aus, um das Erlebte zu verarbeiten.

Der Körper schaltet auf Notfallmodus und handelt nur noch, um das Überleben zu sichern. Es kommt zur Dissoziation, in der das Handeln nach Vernunft ausgeschaltet wird und der Körper nur noch im Überlebensmodus agiert. Betroffene beschreiben den Zustand auch als „neben sich stehen“ oder „sich aus der Distanz beobachten“.

Vielen Menschen ist jedoch gar nicht bewusst, dass ihre Probleme wie Schlaflosigkeit, wiederkehrende Albträume, Flashbacks, Ängste, Panikattacken oder Depressionen auf ein Trauma zurückzuführen sind.

Denn oft hinterlassen Erlebnisse unbewusst ihre Spuren auf der Seele. Das können frühkindliche oder verdrängte Erfahrungen sein, die den Betroffenen erst während einer Therapie bewusst werden und lange Zeit unerkannt bleiben. Traumata können sogar vererbt sein und von Generation zu Generation weitergetragen werden.

Was tun nach einem einschneidenden Erlebnis?

Du hast etwas Schlimmes erlebt, was Dich seitdem belastet? Dann schau Dir in diesem Video die 5 Tipps für den Notfall von Trauma-Therapeutin und Expertin für Traumabewältigung Dr. Alice Romanus-Ludewig an.

Kann man ein Trauma selbst heilen?

In der Regel kann man ein Trauma nicht selbst heilen und sollte immer professionelle Hilfe suchen. Allerdings können manche Menschen traumatische Erlebnisse besser verarbeiten.

Eine starke Resilienz kann beispielsweise dabei helfen, über Schockerfahrungen hinwegzukommen, ohne dauerhaften Schaden zu nehmen. Ein Beispiel sind Naturkatastrophen, die viele Menschen gleichzeitig erleben, doch nicht alle tragen ein Trauma davon.

Ob ein traumatisches Erlebnis zum Trauma führt, hängt zum einen von der individuellen Persönlichkeit, der körperlichen und psychischen Verfassung zu dem Zeitpunkt des Erlebens und der Stressbelastbarkeit ab. Zum anderen hängt es davon ab, wie groß die Hilflosigkeit und der Kontrollverlust in der Situation war und wie lange das traumatisierende Erlebnis gedauert hat.

Verdrängst Du Dein Trauma und hoffst einfach darauf, dass es sich von selbst wieder auflöst, bewirkst Du damit meist genau das Gegenteil. Dann ist es ratsam, Dir therapeutisch helfen zu lassen.

Wie löse ich ein Trauma auf?

Um ein Trauma aufzulösen, solltest Du Dich immer einer Therapeutin oder einem Therapeuten anvertrauen. Denn ein wichtiger Schritt der Traumabewältigung ist, das Trauma zu akzeptieren und darüber zu reden.

Ein Trauma ist nichts, wofür Du Dich schämen musst. Es ist völlig normal, dass gewisse Situationen und Erlebnisse Deine Psyche belasten und nicht einfach von selbst verarbeitet werden können. Das Verdrängen des Erlebten und der Emotionen, die es in Dir auslöst, kann die Symptome nur verstärken und beeinträchtigt Dein Leben genauso wie das Deiner Mitmenschen, die Dein Leiden oft hilflos mit ansehen müssen.

Durch die Traumabewältigung lernst Du, die negativen Emotionen zuzulassen und über sie hinwegzukommen. Ein gefestigtes soziales Umfeld kann den Verarbeitungsprozess unterstützen.

Am besten setzt die therapeutische Betreuung kurz nach dem traumatischen Ereignis ein. Bei Unfällen oder Naturkatastrophen ist meist schnell Hilfe vor Ort und kann bei der Verarbeitung unterstützen. Doch nicht immer ist gleich ein Kriseninterventionsteam zur Stelle. Viel zu oft werden Menschen mit ihren traumatischen Erlebnissen allein gelassen und leiden oft Jahrzehnte lang unter den Folgen.
 
Manche Betroffene ziehen aus einem überstandenen Trauma sogar neue Lebensenergie und blicken gestärkt in die Zukunft. Allein die Tatsache, ein traumatisches Erlebnis überstanden und verarbeitet zu haben, gibt manchen Menschen neue Kraft - ganz nach dem Motto „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“.

Dieses Phänomen wird als posttraumatisches Wachstum bezeichnet. Das heißt nicht, dass das Erlebte dadurch verharmlost wird. Doch die Therapie hilft dabei, das Schreckliche anzunehmen, aber auch als vergangen zu realisieren und nicht länger als Belastung mitzunehmen.

Auch hier entscheiden verschiedene Faktoren wie Resilienz, Persönlichkeit und soziales Umfeld darüber, ob und wie schnell diese Erkenntnis erlangt wird.

Was passiert, wenn ein Trauma nicht behandelt wird?

Wenn ein Trauma nicht behandelt wird, kann es sich langfristig zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickeln. Nach der akuten Belastungsreaktion, die kurz nach dem auslösenden Ereignis eintritt und vier bis sechs Wochen anhalten kann, nimmt die Seele bei manchen Betroffenen dauerhaften Schaden. Das Trauma äußert sich dann durch:

  • Albträume
  • ständige Anspannung
  • Konzentrationsprobleme
  • Angstzustände
  • Schreckhaftigkeit
  • emotionale Überreaktion
  • Aggression
  • Rückzug aus dem sozialen Leben
  • Erinnerungsverlust
  • negative Selbstwahrnehmung
  • negatives Weltbild
  • Vermeidung von Situationen, die an das Erlebte erinnern
  • Wiedererleben der traumatisierenden Situation

Allgemein bekannt geworden ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) durch Soldaten, die aus Kriegsgebieten zurückkehren und den unerträglichen Schrecken nicht verarbeiten konnten. Auch Menschen, die vor dem Krieg in Lebensgefahr flüchten, leiden oft noch Jahrzehnte später unter quälenden Flashbacks.

Dann können völlig harmlose Trigger wie ein bestimmter Geruch oder ein Geräusch den Angstzustand wieder auslösen. Das Erlebte läuft wie ein Film noch einmal ab und versetzt die Betroffenen mit allen Emotionen zurück in die schreckliche Situation.

Viele Betroffene betäuben ihre negativen Emotionen mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen oder entwickeln Essstörungen und Manien. Dabei kann eine therapeutische Behandlung helfen, die Seele zurück ins Gleichgewicht zu bringen und zurück in ein normales Leben zu finden.