Wenn die Psychologen von Trauma sprechen, meinen die meisten das Erlebnis einer lebensbedrohlichen Situation, der das Opfer hilflos ausgeliefert ist. Doch auch frühe Kindheitserfahrungen können traumatisch wirken und bis ins Erwachsenenleben belastend sein. Mehr über Trauma und wie sich alte Wunden heilen lassen, erfährst Du in diesem Beitrag.
Was ist ein Trauma?
Das Wort Trauma wird im Allgemeinen für ein Schocktrauma verwendet. Doch es gibt noch ganz andere Formen von Trauma, die nicht auf eine Katastrophe oder einen Schockmoment zurückzuführen sind. Die wichtigsten Trauma-Arten im Überblick:
Schocktrauma
Hierbei übt ein Schockerlebnis einen nachhaltigen Einfluss auf den emotionalen Zustand der betroffenen Person aus. Das kann ein Unfall sein, ein Todesfall, eine Trennung, eine Abtreibung oder erlebte Gewalt. Eine erschreckende Hilflosigkeit und die Überforderung mit der Situation führen dann zur Traumatisierung.
Entwicklungstrauma
Ein Trauma muss jedoch nicht unbedingt durch ein schockierendes Erlebnis entstehen. Auch ganz alltägliche Ereignisse können traumatisch sein und das weitere Leben und Handeln beeinflussen. Viele leiden sogar unter einem Trauma, ohne sich dessen bewusst zu sein, da sie keines dieser „traumatischen Ereignisse“ erlebt haben.
Dabei kann schon ein operativer Eingriff traumatisch für den Körper sein, ohne dass man die Operation als Ursache erkennt. Die Beziehung zu den Eltern in der Kindheit kann zu einem Trauma führen, ohne dass es eine Schlüsselsituation gab. Diese Form von Trauma wird als Entwicklungstrauma bezeichnet und ist sogar unter Psychotherapeuten ein noch neues Feld.
Sekundärtrauma
Dieses Trauma betrifft Menschen, die Augenzeugen eines schockierenden Erlebnisses geworden sind, beispielsweise Ersthelfer an einer Unfallstelle, Notärzte, Feuerwehrmänner oder Beobachter eines Unfalls oder einer Gewalttat.
Andere Trauma-Formen
Andere Formen, die zunehmend Beachtung in der Psychotherapie finden, sind das generationsübergreifende Trauma, das die Kriegskinder-Generation betrifft, oder das soziale Trauma, von dem ein ganzes Kollektiv betroffen ist.
Warum entwickeln manche Menschen ein Trauma und andere nicht?
Nicht jede Person erlebt ein „traumatisches“ Erlebnis gleich. Bei den einen löst es tatsächlich ein Trauma aus, die anderen können die Situation gut verarbeiten. Laut der Psychotherapeutin und Verhaltenswissenschaftlerin Dami Charf liegt ein Trauma im Nervensystem verankert. Es steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Person und deren Reaktion auf das spezielle Erlebnis.
Ob dadurch eine Traumatisierung entsteht, richtet sich nach mehreren Faktoren, z.B. nach
- der Fähigkeit zur Selbstregulation
- dem Glauben an die Sinnhaftigkeit des Lebens
- der Einbindung in eine Gemeinschaft und das soziale Netzwerk
- der persönlichen psychischen Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt
Was ist Selbstregulation?
Als Selbstregulation wird die Fähigkeit bezeichnet, sich selbst so zu regulieren, dass man sich wohlfühlt. Ist in unserem Inneren alles im Lot, geht es uns gut. Mit gewissen Erlebnissen und Emotionen können wir umgehen, auch wenn es vielleicht negative Erfahrungen sind.
Wird dieses Gleichgewicht jedoch gestört, entwickeln wir gewisse Symptome und Fehlfunktionen des Körpers, wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Konzentrationsprobleme, Angststörungen oder Schmerzen. Die Anlage für die Selbstregulation entsteht bereits in den ersten drei Lebensjahren und kann die Grundlage für ein Entwicklungstrauma sein.
Jeder Mensch hat eine individuelle Fähigkeit der Selbstregulation. Die einen geraten bereits durch Kleinigkeiten aus dem Gleichgewicht, andere hingegen haben ein dickeres Fell, tun sich leichter mit Stressbewältigung und können mit dramatischen Erlebnissen besser umgehen.
Menschen mit einer guten Selbstregulation fühlen sich meist wohl in ihrer Haut und haben das Gefühl, ihr Leben steuern zu können und alles im Griff zu haben. Menschen mit einer schlechten Selbstregulation fühlen sich hingegen so, als würden sie vom Leben gesteuert und könnten die Dinge nicht aus eigener Kraft beeinflussen. Sie leben in einer Art Funktionsmodus, aus dem sie nicht ausbrechen können.