Anzeichen: Woran erkenne ich ADHS bei Frauen?

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung äußert sich bei Frauen in vielen Fällen durch völlig andere Anzeichen als bei Männern. Denn ADHS bedeutet nicht immer, laut und hyperaktiv zu sein. Natürlich gibt es auch Mädchen und Frauen, die durch Hyperaktivität sowie ein starkes Mitteilungs- und Aufmerksamkeitsbedürfnis auffallen. Sehr viel häufiger gehören Frauen jedoch dem unaufmerksamen Typus mit Hypoaktivität statt Hyperaktivität an, der sich durch Tagträumereien, Herumtrödeln, Prokrastination, Vermeidung von sozialen Kontakten oder schwer nachvollziehbare Gedankensprünge bemerkbar macht. Mädchen und Frauen mit ADHS sind oft

  • hypersensibel
  • in sich gekehrt
  • ängstlich
  • risikoscheu
  • leicht reizbar
  • unaufmerksam
  • verträumt
  • unorganisiert

Sie setzen sich selbst unter enormen Druck, um den Erwartungen der anderen gerecht zu werden. Ein Scheitern führt zu einem geringen Selbstwertgefühl und fortwährenden Selbstzweifeln. Die emotionalen Konflikte machen die betroffenen Mädchen meist mit sich selbst aus. 

Während die Kompensationsstrategien in der Kindheit meist noch gut funktionieren, steigen die Probleme mit der Pubertät zunehmend an. Denn Hormone verstärken die Symptome. Die Pubertät stellt die Heranwachsenden ohnehin vor große Herausforderungen. Mädchen mit ADHS sind durch das emotionale Chaos meist völlig überfordert. Oft entwickeln sich dadurch psychische Erkrankungen, wie

  • Depressionen
  • Burn-out
  • Angststörungen
  • Persönlichkeitsstörungen
  • Essstörungen
  • Suchterkrankungen

Bei der Diagnose dieser Erkrankungen wird ADHS immer noch viel zu selten als Ursache erkannt. Meist beschränkt sich die Behandlung auf die Erkrankung, nicht aber auf die zugrundeliegende neurologische Entwicklungsstörung.

 

Warum wird ADHS bei Frauen später erkannt?

Grundsätzlich sind erwachsene Frauen und Männer gleichermaßen von ADHS betroffen. Im Kindesalter wird bei Jungen jedoch drei- bis viermal häufiger ADHS diagnostiziert als bei Mädchen. Bei Frauen dauert es meist wesentlich länger, bis die Störung erkannt wird – wenn überhaupt jemals eine Diagnose erfolgt.

Da Mädchen mit ADHS meist ruhig, ängstlich und verträumt sind, bleibt die neurologische Störung lange verborgen. Im Gegensatz zu Jungen, die zappelig, impulsiv und unkonzentriert sind und schon im Kindergarten und in der Schule durch ihr Verhalten auffallen, sind Mädchen mit ADHS häufig genau das Gegenteil: Sie sind unauffällig und stören nicht. Also kein Grund, um nach Ursachen für ihr Verhalten zu forschen. 

Oft beginnen die Probleme erst richtig, wenn die Betroffenen im Erwachsenenalter ihren eigenen Haushalt und eine Familie organisieren müssen. Um von Außenstehenden nicht als schlampig, faul und unfähig abgestempelt zu werden, kompensieren sie ihre Defizite durch harte Arbeit und große Anstrengungen.

Ein „Stell Dich nicht so an“ oder „Streng Dich doch einfach mehr an“ von Außenstehenden treibt sie zusätzlich an, über die eigenen Grenzen bis zur völligen Erschöpfung zu gehen. Schließlich soll die Wohnung aufgeräumt sein, Rechnungen müssen rechtzeitig bezahlt und die Termine der Kinder unter einen Hut gebracht werden.

Dass die Betroffenen dabei einen massiven Leidensdruck erfahren, rückt erst seit einigen Jahren in den Fokus der Aufmerksamkeit. Denn Frauen mit ADHS schaffen es meist sehr lange, die Fassade aufrecht zu erhalten und suchen sich erst Hilfe, wenn sie zu bröckeln beginnt.

 

Wie verhalten sich Frauen mit ADHS in Beziehungen?

ADHS-Symptome wie übermäßige Reizbarkeit, Hypersensibilität und Konzentrationsprobleme können in einer Beziehung zu ständigen Reibereien führen. Bei fehlender Diagnose fällt es Partnern oft schwer, damit umzugehen, was oft zu Streit und Missverständnissen bei der Organisation des Alltags führt. Auch auf sexueller Ebene fällt es Frauen mit ADHS oft schwer, sich auf den Moment zu fokussieren.

Während der Partner die Zweisamkeit genießen möchte, schweifen die Gedanken von ADHS-Betroffenen schnell ab. Ihnen schwirren dann andere Themen im Kopf herum, wie: Was muss ich heute noch alles erledigen? Wann war nochmal der Arzttermin? Was wollte ich fürs Wochenende alles einkaufen? 

Da sich Frauen mit ADHS nur schwer ihrer Sexualität hingeben können, schwindet auch schnell die Lust daran. Auf der anderen Seite fühlen sich Partner weniger wertgeschätzt und mehr als nettes Beiwerk, wenn sie beim Sex nicht die volle Aufmerksamkeit bekommen. Das führt in vielen Beziehungen zu einer schnellen Abnahme an Intimität und bei vielen Partnern zu Unzufriedenheit. Eine Diagnose hilft dabei, gegenseitiges Verständnis aufzubauen und die Beziehung durch intensive Kommunikation zu festigen.

 

Diagnose: Wie bekomme ich Gewissheit, dass ich ADHS habe?

Da sich Frauen mit ADHS lange Zeit selbst die Schuld für ihr „Versagen“ geben und seltener ärztliche oder therapeutische Hilfe suchen, wird die Diagnose häufig sehr spät gestellt. Solltest Du den Verdacht haben, unter ADHS zu leiden, vertraue Dich einem auf das Thema spezialisierten Arzt oder einer Ärztin an.

Um eine eindeutige Diagnose stellen zu können, findet ein Gespräch statt, in dem Du deine Problematiken und Schwierigkeiten erklärst. Wichtig dabei ist: Sei absolut offen und ehrlich und schäme Dich nicht für Deine Unordnung oder Unstrukturiertheit. Nur durch Ehrlichkeit kann die Diagnose gestellt werden, die Dir wiederum die Möglichkeit bietet, Deinen Frust, die Unzufriedenheit und Deine Selbstzweifel endlich loszuwerden.

Bei der Untersuchung wird außerdem mittels Fragebögen Deine Kindheit beleuchtet. Enge Bezugspersonen können zu Auffälligkeiten in Deinem Verhalten Auskunft geben. Auch Schul- und Arbeitszeugnisse geben manchmal für die Diagnose hilfreiche Hinweise. 

 

ADHS bei Frauen in den Wechseljahren: Welche Rolle spielen die Hormone?

Hormonelle Veränderungen können die ADHS-Symptome bei Frauen verstärken. Schon im Verlauf des monatlichen Zyklus kommt es kurz vor Einsetzen der Periode vermehrt zu Stimmungsschwankungen, Wutausbrüchen, Reizbarkeit oder Konzentrationsproblemen.

Auch während der Wechseljahre sind Frauen teils massiven Hormonschwankungen ausgesetzt, die sich in einer Gefühlsachterbahn entladen. Die Stimmung kippt von einer Sekunde auf die nächste, die Konzentration schwindet plötzlich in ungünstigen Situationen. Die Betroffenen werden dadurch wütend oder verzweifeln völlig an sich. 

Da ADHS bei Frauen immer noch viel zu selten diagnostiziert wird, interpretieren viele die Defizite als eigenes Versagen und setzen sich selbst unter Druck. Viele werden von Versagensängsten geplagt, geben sich selbst die Schuld für ihre Schwächen und entwickeln dadurch ein geringes Selbstwertgefühl. Durch zwanghaftes Verhalten versuchen die Betroffenen, die Struktur im Alltag zu wahren. Erschöpfung bis zum Burnout, emotionale Zusammenbrüche und Depressionen sind häufige Folgen.

 

Was kann ich gegen ADHS tun?

Die Diagnose ADHS ist für viele Frauen eine Erleichterung, denn endlich hat das innere Chaos eine Ursache. Und dagegen lässt sich durch verschiedene Maßnahmen etwas tun:
 

1. Therapie

Um die eigenen Schwächen zu verstehen und sie zu akzeptieren, hilft meist eine Psychotherapie. Zusätzlich können individuell abgestimmte Medikamente die Ausprägung der Symptome lindern. Sie werden meist an den weiblichen Zyklus und die hormonellen Schwankungen angepasst.


2. Struktur

Ein geregelter, strukturierter Tagesablauf bringt Ordnung in das innere Chaos. Organisationshilfen wie strukturierte Wochenpläne und Erinnerungen erleichtern es den Betroffenen, den Arbeitsalltag und die Familie zu organisieren.Entspannungsübungen: Durch Entspannungstechniken wie Atemübungen, Meditation oder Yoga lernen Betroffene, sich zu fokussieren, Stress abzubauen und innerlich zur Ruhe zu kommen.


3. Ausgewogene Ernährung

Auch die Ernährung beeinflusst die Psyche. Zucker, Koffein und Alkohol steigern die innere Unruhe und Unkonzentriertheit. Eine ausgewogene Ernährung versorgt Körper und Geist hingegen mit Vitaminen und Mineralstoffen und fördert die innere Ausgeglichenheit. Ebenfalls wichtig sind regelmäßige Mahlzeiten.

Viele Betroffene tauschen sich gerne in Selbsthilfegruppen aus oder bringen durch Coachings mehr Struktur ins Leben. Wichtig ist immer eine offene Kommunikation, um Lösungswege für die eigenen Defizite zu finden.