Welche Grenzüberschreitungen kommen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten vor?
Wir neigen am ehesten dazu das Wohlwollen anderer auszunutzen ohne zu wissen, welches Leid wir damit verursachen.
Sie unterscheiden neun Typen von Grenzüberschreitern. Welchem ist am schwersten Paroli zu bieten?
Welchem Typen ich am ehesten ausgeliefert bin, hängt natürlich von meiner eigenen Persönlichkeit und dem vorhandenen Grenzverhalten sowie von meiner Tagesform ab.
Generell würde ich sagen, dass wir uns auf den ersten Blick mit den lauten und aggressiven Typen am schwersten tun. Doch bei genauerer Betrachtung erleben wir Grenzüberschreitungen durch leise Töne wie Erwartungen, die an uns herangetragen werden, und die wir dann nicht enttäuschen wollen.
Und wenn ich mich selbst in einer der Typenbeschreibungen wiedererkannt habe?
Wenn ich mich selbst in einem Typen erkannt habe, dann ist diese Selbsterkenntnis schon der erste Schritt zur Veränderung. Meist hilft schon das Verstehen, wie ich selbst womöglich mit meinem Umfeld interagiere und warum es mitunter zu komplizierten Beziehungen oder gar Beziehungsabbrüchen gekommen ist.
Hilft es, den Partner oder eine gute Freundin um seine oder ihre Wahrnehmung zu bitten? Oder komme ich dann in Teufels Küche?
Dazu müsste ich weiter ausholen. In der Kürze gesagt: Wir kennen alle den Spruch: Wie ist denn der oder die drauf? Damit implizieren wir, dass gute Freunde sowie der eigene Partner uns auf unsere blinden Flecken liebevoll aufmerksam machen. Leider ist die Scheu vor Auseinandersetzungen oft sehr hoch, was dann leider das Ertragen des anderen bewirkt, bis es nicht mehr geht.
Generell kann ich nur ermutigen, sich Feedback einzuholen und auch immer damit zu rechnen, dass es ehrlich ist und mich somit vor eine Herausforderung stellt.
Sollte ich andere darauf hinweisen, wenn ich den Eindruck habe, dass sie alles mit sich machen lassen oder muss das jeder selbst für sich merken?
Wenn ich denke, dass ich jemanden auf etwas hinweisen sollte, dann überlege ich zunächst, ob ich mir das auch von anderen wünschen würde. Im nächsten Schritt bedenke ich, ob es dem anderen wirklich hilft und wie ich es formulieren sollte, damit es als Hilfe und nicht als Kritik ankommt. Und schließlich frage ich die Person, ob sie meine Beobachtung überhaupt hören will. Dann kann es zu einem wirklich guten Gespräch werden.
Wir alle schauen aus uns heraus und haben die anderen besser im Blick als uns selbst. Daher passiert es, dass wir für unser eigenes Verhalten oft blind sind und es nicht selbst merken können.
Was kann ich tun, wenn mir etwas zu weit geht? Gibt es eine Soforthilfe als Tipp?
Innere oder äußere Distanz schaffen. Dann hat man Zeit für eine angemessene Grenzziehung. Also nicht gleich „ja“ sagen oder in die Konfrontation gehen. Meist benötigen wir einen Moment Zeit, um festzustellen, was das in mir gerade bewirkt und was ich eigentlich will. Durch die Distanz kann ich mich für eine Strategie entscheiden.
Es gibt auch Bereiche, in denen ich mich schon im Vorfeld für eine Reaktion von mir entschieden habe. Ich selbst habe im Straßenverkehr, im täglichen Miteinander, beim Einkaufen oder im Job nicht immer das Menschenbild von „edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Mir hilft dann der Humor. Drängelt sich also jemand an der Kasse vor, klaut mir den Parkplatz oder ist am Telefon schlecht gelaunt, dann lache ich und nehme es auf keinen Fall persönlich. Denn manche Menschen sind einfach so.
Der Online-Kurs bei Sinnsucher.de basiert auf Ihrem Buch „Selbstbewusst Nein sagen“. Gab es beim Dreh etwas, zu dem Sie selbst Nein gesagt haben?
Ja. Im Studio stand ein Rednerpult bereit. Das hilft den meisten Menschen, um ihr Skript griffbereit zu haben. Für mich ist das allerdings absolut untauglich. Was ich nicht im Kopf habe, finde ich im richtigen Moment auch nicht auf dem Skript und zum Sprechen muss ich frei stehen können. Kurzum: das Pult musste weg. Und danach konnte es losgehen.
Was war bei der Umsetzung des Kursdrehs die größte Herausforderung für Sie?
Mich überhaupt vor die Kamera zu trauen. Das war für mich eine Mutprobe und Grenzerfahrung und auch -erweiterung. Herausfordernd war auch die richtige Auswahl der Themen zu treffen und schließlich die Frage: Wie verpacke ich den Inhalt, dass er nachvollziehbar und auch anschaulich dargestellt wird