Kalender 8 Minuten
Kalender Aktualisiert: 16. Apr 2024

Was hat Sie darauf gebracht, sich mit dem Thema Grenzen setzen zu befassen?

Die eigenen Grenzen zu testen und überschreiten gehört zu meinem Spezialgebiet. Ich bin schon früh von  zu Hause ausgezogen. Im Studium habe ich versucht, möglichst wenig zu schlafen, damit ich Zeit zum Lernen habe. Bücher lese ich in einem durch, Sport treibe ich bis zur Erschöpfung und wenn ich nur ein Zimmer streichen müsste, renoviere ich gleich das ganze Haus. Früher hielt ich das für normal und war irritiert, wenn andere das anders machten. Ich musste zu meinem eigenen Schutz lernen, mir eigene Grenzen zu setzen.

Ich weiß aber auch wie es ist, wenn andere meine Grenzen überschreiten und mir damit seelisches und körperliches Leid antun. Das heißt, ich habe Erfahrung damit, meine niedergerissenen Grenzen wieder aufzubauen und innerlich zu heilen.

Gibt es Grenzüberschreitungen, die typisch weiblich oder typisch männlich sind?

Ich bin kein Fan solcher Aussagen. Mir ist aber aufgefallen, dass viele Frauen mit anderen auf einer Ebene kommunizieren, um ihrem Gegenüber ein gutes Gefühl zu geben. Wir arbeiten in Netzwerken in der horizontalen Ebene. Das heißt, wir reden mit anderen gerne über unsere Gefühle, Probleme und Erlebnisse und haben dabei das Gefühl, etwas zu teilen.  

Männern holen sich einen Rat, fachsimpeln oder dozieren. Das heißt, in der Art der Kommunikation entdecke ich Unterschiede, nennen wir es Abgrenzungen. Sie richtet den Blick also weniger zur Seite – in die Horizontale wie die Frau – sondern mehr nach oben und unten in die Vertikale. Diese Ausrichtung kann sicherlich den Anschein erwecken, dass Männer eher Grenzen überschreiten. 

Sprechen Frauen zu viel, wenn sie im Grunde Nein sagen wollen?

Auf jeden Fall! Wenn wir Nein sagen, dann versuchen wir das auch mit allen Emotionen, schlüssigen Begründungen und Herleitungen zu erklären. Das klingt für Männer dann wie Rechtfertigungen. Wir selbst meinen, dass sei klug. Für andere wirkt es eher inkompetent. Mein Rat: Wenn eine Frau von einer Grenze überzeugt ist, dann genügt ein einfaches Nein. Das funktioniert auch bei Kindern. Ich muss meinem Kleinkind nicht lange erklären, warum ich meine was ich sage. 

Welche Grenzüberschreitungen kommen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten vor?

Wir neigen am ehesten dazu das Wohlwollen anderer auszunutzen ohne zu wissen, welches Leid wir damit verursachen.
Sie unterscheiden neun Typen von Grenzüberschreitern. Welchem ist am schwersten Paroli zu bieten? 
Welchem Typen ich am ehesten ausgeliefert bin, hängt natürlich von meiner eigenen Persönlichkeit und dem vorhandenen Grenzverhalten sowie von meiner Tagesform ab.

Generell würde ich sagen, dass wir uns auf den ersten Blick mit den lauten und aggressiven Typen am schwersten tun. Doch bei genauerer Betrachtung erleben wir Grenzüberschreitungen durch leise Töne wie Erwartungen, die an uns herangetragen werden, und die wir dann nicht enttäuschen wollen. 

Und wenn ich mich selbst in einer der Typenbeschreibungen wiedererkannt habe?

Wenn ich mich selbst in einem Typen erkannt habe, dann ist diese Selbsterkenntnis schon der erste Schritt zur Veränderung. Meist hilft schon das Verstehen, wie ich selbst womöglich mit meinem Umfeld interagiere und warum es mitunter zu komplizierten Beziehungen oder gar Beziehungsabbrüchen gekommen ist. 

Hilft es, den Partner oder eine gute Freundin um seine oder ihre Wahrnehmung zu bitten? Oder komme ich dann in Teufels Küche?

Dazu müsste ich weiter ausholen. In der Kürze gesagt: Wir kennen alle den Spruch: Wie ist denn der oder die drauf? Damit implizieren wir, dass gute Freunde sowie der eigene Partner uns auf unsere blinden Flecken liebevoll aufmerksam machen. Leider ist die Scheu vor Auseinandersetzungen oft sehr hoch, was dann leider das Ertragen des anderen bewirkt, bis es nicht mehr geht.

Generell kann ich nur ermutigen, sich Feedback einzuholen und auch immer damit zu rechnen, dass es ehrlich ist und mich somit vor eine Herausforderung stellt.
Sollte ich andere darauf hinweisen, wenn ich den Eindruck habe, dass sie alles mit sich machen lassen oder muss das jeder selbst für sich merken?
Wenn ich denke, dass ich jemanden auf etwas hinweisen sollte, dann überlege ich zunächst, ob ich mir das auch von anderen wünschen würde. Im nächsten Schritt bedenke ich, ob es dem anderen wirklich hilft und wie ich es formulieren sollte, damit es als Hilfe und nicht als Kritik ankommt. Und schließlich frage ich die Person, ob sie meine Beobachtung überhaupt hören will. Dann kann es zu einem wirklich guten Gespräch werden.

Wir alle schauen aus uns heraus und haben die anderen besser im Blick als uns selbst. Daher passiert es, dass wir für unser eigenes Verhalten oft blind sind und es nicht selbst merken können.

Was kann ich tun, wenn mir etwas zu weit geht? Gibt es eine Soforthilfe als Tipp?

Innere oder äußere Distanz schaffen. Dann hat man Zeit für eine angemessene Grenzziehung. Also nicht gleich „ja“ sagen oder in die Konfrontation gehen. Meist benötigen wir einen Moment Zeit, um festzustellen, was das in mir gerade bewirkt und was ich eigentlich will. Durch die Distanz kann ich mich für eine Strategie entscheiden.

Es gibt auch Bereiche, in denen ich mich schon im Vorfeld für eine Reaktion von mir entschieden habe. Ich selbst habe im Straßenverkehr, im täglichen Miteinander, beim Einkaufen oder im Job nicht immer das Menschenbild von „edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Mir hilft dann der Humor. Drängelt sich also jemand an der Kasse vor, klaut mir den Parkplatz oder ist am Telefon schlecht gelaunt, dann lache ich und nehme es auf keinen Fall persönlich. Denn manche Menschen sind einfach so.

Der Online-Kurs bei Sinnsucher.de basiert auf Ihrem Buch „Selbstbewusst Nein sagen“. Gab es beim Dreh etwas, zu dem Sie selbst Nein gesagt haben? 

Ja. Im Studio stand ein Rednerpult bereit. Das hilft den meisten Menschen, um ihr Skript griffbereit zu haben. Für mich ist das allerdings absolut untauglich. Was ich nicht im Kopf habe, finde ich im richtigen Moment auch nicht auf dem Skript und zum Sprechen muss ich frei stehen können. Kurzum: das Pult musste weg. Und danach konnte es losgehen. 

Was war bei der Umsetzung des Kursdrehs die größte Herausforderung für Sie?

Mich überhaupt vor die Kamera zu trauen. Das war für mich eine Mutprobe und Grenzerfahrung und auch -erweiterung. Herausfordernd war auch die richtige Auswahl der Themen zu treffen und schließlich die Frage: Wie verpacke ich den Inhalt, dass er nachvollziehbar und auch anschaulich dargestellt wird

Das sagen die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer:

Kurs: "Selbstbewusst Grenzen setzen" von Gisela Ruffer

Eine sehr interessante Einteilung der einzelnen Persönlichkeitstypen und gute Tipps zum Umgang mit den selbigen. Der Kurs hat mir viel Spaß gemacht und ich…

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Eine sehr interessante Einteilung der einzelnen Persönlichkeitstypen und gute Tipps zum Umgang mit den selbigen. Der Kurs hat mir viel Spaß gemacht und ich habe einiges dazugelernt. Großes Dankeschön an Gisela Ruffer.

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Der Kurs hat mir gut gefallen. Schön gemacht.

Wahnsinn. Einige Leute aus meinem Umfeld können einem der Typen zugeordnet werden. Ich habe mich leider im tropfenden Wasserhahn wiedererkannt. ;)

Profilbild für Gisela Ruffer

Gisela Ruffer

Gesprächstherapeutin, Persönlichkeitstrainerin und Autorin

Gisela Ruffer ist Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis für Psycho-und Paartherapie in Landshut. Ihre Spezialgebiete sind lösungsfokussierte Gesprächsführung und Beziehungscoaching. Mit dem Ziel „Besser leben und lieben“ begleitet sie Menschen, die etwas in ihrem Leben verändern wollen.
Als Supervisorin für Ärzte und Gesundheitsberufe ist sie außerdem eine gefragte Sprecherin, vor allem für Bildungsträger, Kirchen und Krankenkassen. 
Bei Sinnsucher ist sie Expertin für ein gesundes, zwischenmenschliches Grenzen setzen in Teams und in der Paarbeziehung.